Familiengeschichten
Kazys Romanas Valys
Interview aufgezeichnet: von Roberta Bartkutė Šiauliai 29.09.2020

Kazys Romanas Valys

Mein Großvater Kazys Romanas Valys wurde am 25. Mai 1942 in der Kreisstadt Raseniai in Litauen geboren. Seine Mutter Bronė Valytė, geboren am 2. April 1920, kam ums Leben, nachdem sie im August 1944 in Jurgaičiai, der Bezirksgemeinde Jurbarbas, von einer Artilleriegranate getroffen wurde. Bis 1949 wurde mein Großvater von seiner Großmutter mütterlicherseits aufgezogen. Nach ihrem Tod wuchs er bei seiner Tante auf, d.h. bei der Schwester seiner Mutter, die ihm sowohl die Mutter, von der er nie ein Foto gesehen hat, als auch den Vater, den er nur einmal gesehen hat, ersetzte. In diesem Interview erzählt mein Großvater nicht nur, wie der Zweite Weltkrieg sein Leben und das seiner Eltern verändert hat, sondern auch, wie die deutsche und die zwei sowjetischen Besatzung das Leben seiner zahlreichen Onkel und Tanten von mütterlicher Seite her beeinflusst haben.

Stelle dich bitte vor.

Kazys Romanas Valys. Zwei Namen.

Wie kam es, dass du zwei Namen hast?

Früher gab es eine solche Tradition, auch jetzt gibt es sie noch. Zuerst war ich als Romas getauft worden [,,Romas“ ist die Kurzform von ,,Romanas“ – R. B.]. Danach sagte der Priester, dass Romas kein Name eines Heiligen sei. Also wurde der Name meines Vaters Kazimieras hinzugefügt, weil Kazimieras der Name eines Heiligen ist [,,Kazys“ ist die Kurzform von ,,Kazimieras“ – R. B.]. Deshalb zwei Namen. Viele Menschen haben zwei Namen, besonders diejenigen, die vor dem Krieg geboren wurden. Selbst jetzt, wenn Menschen getauft werden…

Du sagtest, dass du deinen Vater nicht kanntest, aber sein Name war Kazys, nicht wahr?

Ja. Es ist wegen des Krieges, die Leute wurden vertrieben. Meine Mutter Bronė, die nach ihrem Vater Bronius benannt war, wurde am 2. April 1920 geboren. Man sagte mir, sie war die Schönste, aber sehr Verwegene, sie ging gerne tanzen. Ihre Cousine sagte, dass sie ein Foto von ihr hatte, aber zu dieser Zeit besuchte ich sie nicht. Später, dann fuhr ich mit Jurgis [dem Onkel meines Großvaters – R.B.] dorthin, sie lebte nicht mehr.

Meine Mutter liebte mich. Nun, als ich geboren wurde, hatte der Krieg bereits begonnen. Unser Geburtsort lag neben Kalnujai, wo sich im August 1944 die Mitte der Frontlinie befand. Die Russen waren auf dem Hügel in Kalnujai, die Deutschen waren weiter entfernt, ungefähr 10 Kilometer hinter uns. Wir befanden uns in dieser Lücke von 4 Kilometern. Die Zivilisten wurden evakuiert, um nicht zu sterben. Damals wurden sie nach Butkaičiai, Distrikt Jurbarkas, evakuiert. Als meine Mutter dort ihr Leben verlor, war ich zwei Jahre und drei Monate alt. Sie saß, ich lag neben ihr. Während des Artilleriebeschusses wurde eine Granate in ihre Nähe geworfen, so wie jetzt Zivilisten ihr Leben verlieren. Danach war sie noch eine Weile am Leben, die Deutschen fuhren sie ins Lazarett, aber sie überlebte nicht. Zuerst wurde sie in Butkaičiai begraben, wo sie starb, jetzt in Girkalnis. Bevor sie starb, war sie bei Bewusstsein und fragte nach mir.

Meine Großmutter Kazimiera, geboren 1870 oder 1871, hatte mich 7 Jahre lang aufgezogen, bis sie 1949 starb. Sie war nicht sehr alt, aber sie starb wegen der mit dem Krieg verbundenen Härten. Dazu kam, dass sie 9 Kinder großzog. Wir schliefen immer in einem Bett. Ich wollte letzte Nacht zu ihr gehen. Sie fühlte sich schlecht, so sagte man mir: „Geh nicht, Großmutter geht es sehr schlecht.“ Ich wurde getrennt von ihr hingelegt. Sie liebte mich sehr, und ich liebte sie sehr. Ich erinnere mich bis heute an sie.

Und Großvater?

Mein Großvater Leonas starb 1939. Er war 20 Jahre älter als meine Großmutter, also 1870 oder 1871 geboren. Dann baute man Litauen auf, er oder sein Vater – ich glaube, er – gehörte 1918 zu den Freiwilligen [die ersten Soldaten des am 16. Februar 1918 wiederhergestellten litauischen Staates – R.B.] und bekam dafür Land, etwa 8 Hektar, zusätzlich zu dem Land, das schon in seinem Besitz war. Insgesamt hatte er 18 Hektar Land und 2 Hektar Wald. 16 Hektar befanden sich in Vengerskai (4 km hinter Kalnujai) und 2 Hektar auf dieser Seite von Kalnujai, ca. 6 km, und auch in Andriušaičiai, dort kam ich nach dem Tod meiner Oma zu der Schwester meiner Mutter Kazimiera, geboren 1913, die mich aufzog. Ich habe sie immer Mutter genannt. Sie hat mir kein Unrecht angetan, sondern mich wie ihr eigenes Kind geliebt. Sie hatte einen Sohn Algis. Sie liebte uns beide gleichermaßen. Ich war wütend, als ich von den Frauen im Dorf als Waise bezeichnet wurde. Sie starb 2010 in Vilnius.

Wenn meine Mutter nicht ihr Leben verloren hätte, hätten sie und mein Vater vielleicht zusammen gelebt, aber nach ihrem Tod heiratete er eine andere Frau.

Lebte er in deinem Dorf?

Nein, weiter weg, etwa 20 Kilometer entfernt. Er war ein Freund des Bruders meiner Mutter. Sie sind zusammen wegen des Krieges geflüchtet und dann sind wieder aufgetaucht.

Das einzige Mal, dass ich ihn sah, war, als er zu seiner Cousine kam. Es gab eine Feier, viele Gäste, wir waren auch da. Ich weiß, er war glatzköpfig, wollte mich fangen, aber ich war vielleicht 9 Jahre alt, lief weg, traute mich nicht. Nach dem Krieg war es sehr schwer, also half er machmal, gab Kartoffeln. Mutter [die Tante, die meinen Großvater großgezogen hat – R.B.] ging immer dorthin, um sie abzuholen. Oder vielleicht schickte er jemanden zu uns. Er lebte besser, also würde er mit Kartoffeln oder Heu helfen. Wir hatten nichts, womit wir die Kühe füttern konnten, also gab er Heu oder Getreide, um das Brot zu backen. Das Leben war hart für alle. 20 Jahre nach dem Krieg hatten die Menschen eine sehr schwere Zeit. Wer im Dorf geboren wurde, musste im Dorf arbeiten.

Wohin sind sie während des Krieges geflohen?

Nach Deutschland, zu den Bauern.

Als Zwangsarbeiter oder Freiwillige?

Nein, sie sind freiwillig untergetaucht, ab und zu sah man sie wieder.

Sie waren also auf der Flucht vor Deutschen?

Sowohl vor Deutschen als auch vor Russen, um nicht in die Armee aufgenommen zu werden. In dieser Zeit versteckten sich die Menschen so gut wie sie es konnten. Die Männer wurden zu den Arbeiten gebracht, also sie gingen als Freiwillige und arbeiteten dort bei den Bauern in Deutschland. Es war dort besser, vor allem im Vergleich zu denen, die wie zwei meiner Onkel zwangsweise zu den Arbeiten gebracht wurden. Einer von ihnen, Marčius, war 14 Jahre alt, er war ziemlich klobig, und ein anderer, der später in Belgien lebte, war kleiner, er war 18 Jahre alt. Die Deutschen waren auf der Jagd nach Männern. Eine sogenannte Miliz, Gendarmen, tauchten plötzlich auf, ich glaube, in Deutschland wurden sie Gendarmen genannt. Also holten sie die Männer ab und brachten sie nach Deutschland. So landeten sie in Belgien, das besetzt war. Der eine kehrte nicht zurück, während Marčius bei der Vertreibung auf eine Mine trat und auseinandergerissen wurde. Er starb auf der Stelle.

In welchem Land, in Belgien?

Nein, zu diesem Zeitpunkt hatten sie Belgien noch nicht erreicht.

In Deutschland?

Vielleicht in Deutschland oder anderswo, oder vielleicht noch in Litauen. Das weiß ich nicht.

Also wurden zwei von ihnen ausgewiesen?

Es gab eine Menge gefangene Männer aus dem Dorf. Einige von ihnen kehrten zurück, als die Russen Litauen erobert hatten. Bronius kehrte nicht zurück, er blieb in Belgien.

Derjenige, der in Belgien blieb, war von deiner Mutter...

… der Bruder. Derjenige, der sein Leben verlor, war auch ihr Bruder. Der ,,Belgier“ lebte dort, er kam immer wieder hierher zurück. In den 1980er Jahren war es bereits erlaubt, er kehrte zum ersten Mal nach Litauen zurück. Die Russen hatten es vorher nicht zugelassen, sie wollten nicht, dass die Leute hier herumfahren.

Also er war auch hier [Šiauliai, wo meine Großeltern leben – R. B.] zu Besuch, nicht wahr?

Ja, er war hier, es gibt Fotos.

Aber er konnte immer noch Litauisch sprechen?

Er konnte Litauisch. Anfänglich war es schwieriger, für ihn zu sprechen, seine Sprache war eingerostet. Er musste dort arbeiten, es gab fast keine Litauer, er traf sie selten. Er kam immer öfter hierher und erinnerte sich immer besser an die Sprache.

Wann ist er gestorben?

Nun, er starb, ich will nicht lügen, ungefähr 2003, vielleicht 2004. Er war älter als 70 Jahre alt, geboren 1925. Ich habe immer noch eine Jacke und Jeans, die er mir mitbrachte, als die Russen hier noch das Kommando hatten. 

Wer hat dich über seinen Tod informiert?

Als er zu Besuch zurückkam, nahm er eine Tochter seines Neffen mit nach Belgien, die dort heiratete und bis heute lebt. Der ,,Belgier“, so nannten wir ihn, der ,,Belgier“ hatte 6 Kinder. Das älteste von ihnen, Jonas, lebte in Deutschland. Da ist Deutschland, da ist ein Fluss, und da ist Holland. Der Fluss trennt Deutschland und Holland. Also baute er ein Haus, heiratete und lebte dort. Jonas kam auch nach Litauen, aber er kannte die Sprache nicht.

Die Frau von ,,Belgier“ war Belgierin, oder? Er hatte Kinder mit ihr?

Ja, ja, er heiratete eine Witwe. Ihr Mann starb während des Krieges, sie hatte ein Kind, aber das Kind starb später auch irgendwie. Sie war also eine Witwe, kein Fräulein, und er hatte 6 Kinder mit ihr. Entweder wurden sie im selben Jahr geboren, oder sie war etwas älter.

Aber sie kam nicht mit ihm nach Litauen?

Nein, sie war bereits gestorben, als er zurückkehrte. Er kam mit Jonas und später mit jemand anderem hierher, aber ich habe das nicht gesehen. Er kam immer als Gast hierher. Bis Litauen nicht unabhängig war, wurden sie ausspioniert. Kannst du dir das vorstellen? Sie kamen nach Vilnius und durften nirgendwo anders hinfahren, weder zum Geburtsort noch zu den Gräbern der Eltern. Im Hotel arbeiteten die Agenten der Staatssicherheit, also mussten sie mit etwas bestochen werden, das ihnen gebracht wurde, dann schlossen sie die Augen und sagten: ,,Aber bleib dort nicht lange“.

Er hätte also gar nicht nach Šiauliai kommen können?

Nein, nein, nein, nein.

Es war also illegal?

Es war illegal, die Besatzer waren sozusagen bestochen. Die litauischen Kommunisten.

Du hast ihn also zum ersten Mal getroffen, als er 1980 hierher kam?

Im Jahr 1980 zum ersten Mal. Wir kamen nach Vilnius, die Tante lebte dort, auch mein Cousin Algis. Wir trafen uns dort, feierten, gingen ins Restaurant ,,Litauen“. Das Hotel war wie ein Wohnheim, man nannte es ein Hotel der Ausländer. Die Zimmer waren ausgefranst, voller verdeckter Abhörgeräte, man konnte sich nicht unterhalten, nur draußen. Hätte man ihn erwischt, hätte er nicht mehr kommen dürfen. Aber da sie bestochen wurden, kam er nach Girkalnis, wo die Eltern und Geschwister begraben sind, das Grab meiner Mutter, meiner Großeltern. Weiter als Raseiniai, glaube ich, ist er nicht gekommen, sondern zurückgekommen. Zusätzlich blieb er für einen Tag in Kaunas. Jurgis organisierte eine Feier, ein Treffen der Verwandten, er hatte genug Platz. Nach dem ersten Besuch reiste er also ab. Später, als Gorbatschow an die Macht kam, 1987, war es freier, er durfte zum zweiten Mal kommen; 1989 kam er zum dritten Mal.  Zu dieser Zeit kam Jurgis (mein Onkel, sein Bruder), um ihn zu treffen. Bronius, der ,,Belgier“, wurde 1925 geboren, Jurgis 1933. Also riefen dieser und seine Freunde Bronius an, der von Vilnius aus fuhr. Zu diesem Zeitpunkt war es bereits frei, die Kommunisten verboten es nicht mehr, sie sahen, dass Litauen unabhängig wurde. Also hielten sie auf der Autobahn vor Kaunas mit einer litauischen Fahne an, davor sagten sie Bronius: ,,Wenn du eine litauische Fahne siehst, dann wisse, dass wir das sind“. Zu dieser Zeit reisten sie also viel, besuchten uns, auch Raseiniai, Dana [die Cousine meines Großvaters, die Schwester von Kęstas, deren Tochter in Belgien lebt – R.B.], die hinter Gruzdžiai wohnte.

Wann kam er also zum letzten Mal nach Litauen?

Früher kam er oft hierher. Das letzte Mal wahrscheinlich 2001 oder 2002.

Aber er ist in Belgien begraben?

Begraben in Belgien, ich weiß nicht wie, ich bin dort nicht gewesen. Sie lebten in Belgien in einer Stadt nicht weit von einer Grenze zu Holland.

Als er also zu dir kam und mit dir sprach, hat er dich nichts von der Kriegszeit erzählt?

Er erzählte, er hatte nicht genug Zeit. Er war von Menschen umgeben. Viele von uns lebten zu dieser Zeit noch. Bei seinem ersten Besuch war sogar die Tante Marytė aus Vilnius am Leben. Drei Schwestern waren am Leben.

Seine Schwestern?

Ja, seine Schwestern. Meine Mutter (sie hat mich aufgezogen, ich nenne sie Mutter), Poškienė in Vilnius und Alelė. Ja, es waren drei Schwestern, als er zum ersten Mal kam. Außerdem die Brüder Jonas und Jurgis. Insgesamt fünf von ihnen. Zwei Brüder, drei Schwestern und viele Kinder. Viele, viele Kinder, die Kinder von Kindern.

Zurückkommend auf deine Kindheit und die sowjetische Besatzung. Du sagtest, dass dein Großvater das Land erhalten habe. Als 1940 die Russen kamen, haben sie einen Teil davon verstaatlicht? [Infolge des Geheimprotokolls des Molotow-Ribbentrop-Pakts vom 23. August 1939 besetzte die Sowjetunion Litauen am 15. Juni 1940 – R.B.].

Sie hatten nicht genug Zeit, es allen wegzunehmen, da der Krieg mit Hitler 1941 begann. Sie nahmen es 1944 weg, die Menschen wurden in die Kolchose [eine Kollektivwirtschaft in der Sowjetunion – R.B.] getrieben, die Menschen mussten arbeiten und bekamen nichts. Nach einem Jahr Arbeit bekamen sie 10-20 kg Körner von schlechtester Qualität. Sie gaben 60 Ar zum Überleben, alle wurden gleichgestellt. Wenn jemand aus der Familie wegging, um an einem anderen Ort zu arbeiten, nahmen sie die Hälfte davon weg, 30 Ar. Litauen sah sich 20 Jahre nach dem Krieg, bis 1965, mit großen Härten konfrontiert. Danach wurde es immer besser.

Erinnerst du dich an die Deportationen nach dem Krieg, als du noch ein Kind warst?

Wie kann ich mich nicht erinnern? Menschen wurden bis 1953 deportiert, als Stalin starb.

Woran erinnerst du dich genau?

Unsere Tante, die Schwester meiner Mutter, wurde 1945 deportiert. Sie diente bei einem gewissen Butkus, sie heirateten an einem Sonntag und am nächsten Sonntag wurden sie deportiert. Teresė, ihre Tochter, wurde dort geboren, so dass sie bei der Deportation wahrscheinlich schwanger war. Sie sagte: ,,Gott, um wenigstens eine Schale zu finden…“ Also lief sie weg, ,,stribai“ [örtliche Kollaborateure des NKWD, des Innenministeriums der Sowjetunion, das für die Repressionen verantwortlich war – R.B.] fingen sie. Gewöhnliche russische Menschen waren gut, sie sahen sich einer Menge Entbehrungen gegenüber, aber es gab viele Mitglieder des NKWD. Man hatte ihr also geholfen, sie war mit einem Mädchen von drei Monaten mit Zügen geflohen, kannst du dir das vorstellen? Von Irkutsk, ganz Russland entlang, mehr als 10 000 Kilometer. Die Züge waren nicht so, wie sie jetzt sind. Sie [die Kommunisten – R.B.] zerrten sie herum und begannen später mit der Ermittlung. Der Vorsitzende des Bezirks hat sich für sie eingesetzt, er sagte: ,,Was ist ihre Schuld, an einem Sonntag war sie Dienerin, an einem anderen Sonntag wurde sie Ehefrau, was für eine Spießerin ist sie?“ So ließ man sie schließlich in Frieden. Sie war Härten ausgesetzt, bis sie nach Vilnius aufbrach, wo sie einen gewissen Poškus heiratete. Ihr Mann Butkus lief in eine andere Richtung, er wurde gefangen. Später heiratete er dort, er kehrte spät aus Russland zurück. Teresė starb letztes Jahr, sie lebte in Kaunas.

Der Kommunismus war schrecklich. Viele Menschen starben an Hunger, wie viele starben während der Deportationen in Zügen?

Wann hast du begonnen, in der Kolchose zu arbeiten?

Bis zur Armee. Danach bin ich nicht mehr zurückgekehrt. Ich hatte eine Weile angefangen, aber dann ging ich zu einer Bauschule.

Wie alt warst du damals, als du mit der Schule angefangen hast? Wie viele Klassen hast du beendet?

Acht, glaube ich.

Fünf Klassen. Ich war krank gewesen, danach wollte ich nicht mehr weitermachen. Ich war gut in der Mathematik, in der Geografie. Wenn ich in der litauischen Sprache gut gewesen wäre, hätte ich weiter studiert, ich hätte studieren dürfen, was ich wollte. Früher habe ich in der litauischen Sprache viele Fehler gemacht, ich konnte nichts dagegen tun. Globienė, die Lehrerin in der Sekundarschule, pflegte zu sagen: ,,Du bist viel besser in Deutsch oder Russisch als in Litauisch“. Sogar der Direktor des Gymnasiums kam einmal zu uns nach Hause, um mich zum Lernen zu ermutigen. Danach ging ich für ein oder zwei Wochen dorthin, dann wurde ich wieder krank. Das war alles.

Du hast einmal erwähnt, dass dein Vater dem Komsomol [einer Jugendorganisation der Sowjetunion – R.B.] angehörte, deshalb hat er sich vor den Deutschen versteckt?

Es scheint so, dass er es nicht tat, aber es ist nicht sicher. Er war in Kontakt mit dem Vater von Kęstas, mit dem mein Vater nach Deutschland geflüchtet ist, um dort zu arbeiten. Der Vater von Kęstas kehrte nach Litauen zurück, als es von den Russen besetzt wurde, und wurde zur Armee gebracht. Nachdem er dort gedient hatte, kehrte er zurück. Der Vorsitzende des Bezirks hielt den Kontakt zu den Partisanen [es gab einen Guerillakrieg gegen die sowjetischen Truppen 1944-1953 – R.B.] aufrecht. Er war anwesend, als der Vater von Kęstas einmal mit anderen Männern trank und erzählte: ,,1940 gehörte ich dem Komsomol an, jetzt bin ich Kommunist. Jetzt habe ich eine Pistole mit meinem Namen drauf“. In Wirklichkeit war er kein Kommunist. Er hat die Geschichte erfunden, weil er betrunken war.

Es war gut, dass die Partisanen, die später dorthin kamen, intelligent waren. Sie brachten ihn nach draußen und sagten: „So, Mitglied von Komsomol, Kommunist, gib deine Pistole ab“. ,,Nun, ich habe sie nicht, ich habe sie nicht einmal angerührt. Ich sagte das, weil ich betrunken war. Ich hatte nur eine Pistole, als ich in der Armee war. „Also, wo ist deine Kommunistenkarte?“ [Parteimitgliedskarte – R.B.]. „Ich habe sie nicht, Sie können sie suchen, wenn Sie wollen.“ Er wurde also mit einem Stock am Hals und am Hintern geschlagen, obwohl er hätte erschossen werden können. Nach dem Krieg musste man wissen, mit wem und gegen wen sich äußerte, man konnte nicht scherzen. Es war nicht zum Lachen.

A class photo from the first grade (ca. 1950). My grandfather is at the very top in the middle, with a bag jacketAs a soldier (1961–1964) in MoscowMy grandfather (on the left) with a friend in MoscowFree Time in MoscowFree Time in MoscowWriting a letter homeIn Birštonas resortThe uncle from Belgium on a visit to my grandparents in Šiauliai (ca. 1992). Lefthand my mother, the friend of the uncle, the uncle and my grandfatherA class photo from the first grade (ca. 1950). My grandfather is at the very top in the middle, with a bag jacketMoscowMoscow

Die Interviews werden in den Originalsprachen oder Transkriptionen davon wiedergegeben, unter Berücksichtigung von nationalen, regionalen und individuellen Sprachmerkmalen.

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