Wenn Erinnerungen an Verwandte weiterleben…

Leider hat man sich in meiner Familie früher nicht mit der Familiengeschichte auseinandergesetzt. Dieses Projekt wurde für mich zu einer guten Gelegenheit, dies zu ändern. Ich habe ein Interview mit meiner Oma aufgezeichnet, denn ich weiß noch, als ich klein war, da hat sie manchmal von ihrem Vater und seiner Teilnahme am Zweiten Weltkrieg erzählt. Ein weiterer Grund war meine enge und innige Beziehung zu meiner Oma. Wir können uns stundenlang unterhalten, uns zum Beispiel über Bücher austauschen oder einfach erzählen, wie der Tag war.

 

Das Interview wollte ich in Form einer Videoaufnahme machen. Aber Oma sagte nein, sie meinte, er würde das peinlich sein. Die Vorbereitung nahm viel Zeit in Anspruch. Es war schwierig, die Fragen vorzubereiten. Als Oma zugesagt hat, fing der zweite Teil der Arbeit, der auch sehr anspruchsvoll war. Es ist kaum in Worte zu fassen, wie aufgeregt Oma war. Als ich die Aufnahme startete, hatte sie ihren Hund auf dem Schoß, den sie die ganze Zeit gestreichelt hat. Auf diese Weise versuchte sie sich zu beruhigen, denn sie war noch nie im Leben interviewt worden, geschweige denn vor der Kamera. Deswegen war sie wirklich aufgeregt. Überraschenderweise ist alles reibungslos gelaufen!

 

Als wir uns die gemachten Aufnahmen angesehen haben, konnte Oma nicht glauben, dass sie es geschafft hat. Sie weinte und war traurig, dass die Menschen, die uns wichtig sind, die Menschen, die wir lieben, nicht mehr da sind. Gleichzeitig freute sie sich, dass die Erinnerung an sie weiterlebt.

 

Ihr Vater, mein Opa, war ein anständiger Mensch, sehr fleißig, gutherzig, er half immer allen, die sich an ihn wendeten. Er stellte hohe Anforderungen: sowohl an sich selbst als auch an die anderen. An der Front wurde er verwundet, weswegen er auf einem Auge komplett blind wurde und mit dem anderen nur noch schlecht sehen konnte. Trotzdem lebte er weiterhin aktiv. Er arbeitete viel mit den Händen und war Hobbytischler. Oma wusste von Kindesbeinen an, dass ihr Vater im Krieg war und dort verwundet wurde. Diese Tatsache hat auch ihr Leben stark beeinflusst; Sie musste ihrer Mutter viel im Haushalt helfen. Oma erzählte, dass sie einen großen Garten hatten, den man pflegen musste: Bäume schneiden, gießen, düngen, ernten und viele andere Sachen. Das alles mussten Oma und ihre Mutter machen.

 

Die Teilnahme des Uropas am Krieg hat die ganze Familie sehr stark beeinflusst. Als er aus dem Krieg zurück war, gingen unsere Verwandten mit Uropa sehr fürsorglich um und haben Uroma unterstützt. Sie sagten dabei stets: „Hauptsache: Er ist lebend zurückgekehrt!“ Mit der Zeit haben die Dinge ihren gewöhnlichen Lauf angenommen. Das Leben ging weiter in unserer Familie, die so viele Erschütterungen und Schicksalsschläge ertragen musste, dass man es sich heute kaum noch vorstellen kann… Oma half auch dem Uropa. Er gab ihr eine bestimmte Länge vor, die sie mithilfe eines Lineals abmessen und mit einem roten bzw. blauen Stift auf dem Holz markieren sollte, damit Uropa dieses Holz verarbeiten konnte. Viele Jahre sind vergangen, aber die Möbel, die Uropa angefertigt hat, sind immer noch gut. Stühle, ein Schrank, eine Kommode, ein Schreibtisch – all das erinnert an handwerkliche Geschick meines Uropas. Ich bin stolz auf ihn und würde mich gern mit ihm unterhalten, würde ihm gern für seine Tapferkeit, für seinen Mut, für seinen Willen und für den Sieg danken. Ich würde ihm auch sagen, wie leid es mir tut, dass er in so einem jungen Alter mit dem Tod konfrontiert wurde und seine Freunde und Kameraden verloren hat. Aber… Leider ist das Leben zu kurz. Und das darf man nie vergessen!

 

Die Erinnerungen meiner Oma aufzuzeichnen, war für mich sehr wichtig. Dadurch konnte ich mehr über meine Verwandten und ihre Schicksale erfahren, unsere Familiengeschichte überdenken, und nun schätze ich die, die mir noch geblieben sind, noch mehr. Nun will ich auch die Geschichte von meinen anderen Urgroßeltern aufzeichnen, um diese an die zukünftigen Generationen weiterzugeben. Ich will, dass alle in meiner Familie stolz darauf sind, was unsere Vorfahren geleistet haben, und dass alle schätzen, was sie haben. Oma hat sich sehr gefreut, dass diese unsere Familiengeschichte gehört wurde, dass man sich dafür interessiert. Dadurch sind wir uns noch nähergekommen. Sie konnte etwas teilen, was sie jahrelang nur für sich behielt. Es scheint mir, dass sie dadurch eine schwere seelische Last losgeworden ist: Vielleicht weil sie ihre Kindheitserinnerungen erzählen konnte, oder weil die Familiengeschichte in der Erinnerung der kommenden Genrationen weiterleben wird, Jedenfalls ist alles prima gelaufen.

 

Ich möchte allen gerne einen Rat geben: Verbringt mehr Zeit mit euren Nächsten. Wenn es nicht möglich ist, ruft einfach mal an und fragt, wie es ihnen geht und wie sie sich fühlen, und ob sie vielleicht Hilfe brauchen. Das ist sehr wichtig!

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