Zdzisław Cabaj
Ich habe meinen Vater interviewt, der 1959 geboren ist. In dem Interview erinnert sich mein Vater an die Geschichten aus der Kriegszeit, die ihm seine Eltern erzählt haben. Aus dem spannenden, über einstündigen Gespräch habe ich die interessantesten Abschnitte ausgesucht, in denen mein Vater unter anderem davon erzählt, wie deutsche Soldaten im Haus seiner Eltern gewohnt haben, und von dem deutschen Gendarmen Engelbert Guzdek – dem Schrecken unserer Region (Powiśle Dąbrowskie). Dieses Interview ist ein Beispiel für Erinnerung in der zweiten Generation.
[S] Sylwia Cabaj, [Z] Zdzisław Cabaj
S: Kannst du etwas über deine Eltern erzählen? Wie alt waren sie, als der Krieg ausbrach?
Z: Mein Vater wurde 1926 geboren, meine Mutter hingegen 1936. Als der Zweite Weltkrieg ausbrach, war mein Vater also Teenager und meine Mutter ein kleines Mädchen. Beide kamen aus kinderreichen Familien.
S: Haben deine Eltern dir von diesen schweren Zeiten erzählt? Hast du selbst gefragt, aus Eigeninitiative oder Interesse? Kannst du dich daran erinnern, was sie dir erzählt haben?
Z: Meine Eltern haben nicht so oft darüber gesprochen. Mit der Zeit verschwimmen die Geschichten und Details immer mehr, aber einige habe ich in Erinnerung behalten. Wie ich bereits sagte, war meine Mutter nur ein paar Jahre alt, als der Krieg ausbrach, also konnte sie sich nicht mehr an viel erinnern. Sie erzählte, dass in unserem Haus, in einem der Zimmer, eine Zeitlang deutsche Soldaten gewohnt haben. Entgegen allen Erwartungen sollen sie wohl ganz nett gewesen sein. Sympathisch, wenn man das so bezeichnen kann. Sie tranken, aßen, spielten Karten, feierten. Für das ganze Essen, dass sie irgendwo aus dem Dorf mitbrachten, haben sie angeblich bezahlt. Mama sagte, dass ihr eines Abends einer der deutschen Soldaten, sozusagen in Feierlaune und unter Alkoholeinfluss, eine Tafel Schokolade geschenkt hat.
Mein Vater wiederum erzählte mir, wenn er an die damalige Zeit zurückdachte, von seinen schweren Erlebnissen und dem Leben im besetzten Polen. Da er so jung war, hatten ihn die deutschen Gendarmen auf dem Kieker. Er sollte eigentlich nach Deutschland zur Zwangsarbeit gebracht werden. Jederzeit konnte irgendeine Einheit auftauchen und ihn mitnehmen. Deshalb durfte er eigentlich nicht mehr zu Hause übernachten. Er erzählte mir, dass er in einem extra eingerichteten Versteck im Stall schlief. Im Sommer war das sozusagen sogar ganz angenehm, aber im Winter lag er irgendwo in einer Ecke unter Stroh und Heu vergraben. Wenn ich jetzt noch daran denke, kommen mir die Tränen. Furchtbar. Er erzählte mir, dass es sehr, sehr schwer war, an Essen zu kommen. Alles mussten sie bei der Gendarmerie abgeben, unter anderem den Steinmahlgang, und jeder Bürger war verpflichtet, ein Kontingent abzugeben, in Form von Vieh, Schweinen oder Getreide. Viele würden glauben, dass es auf dem Lande einfacher war, zu überleben. Aber das ist ein grober Irrtum.
S: Wie sah Gręboszów in der Besatzungszeit aus? Wurde die hiesige Bevölkerung verfolgt, und wenn ja, wie?
Z: Mein Vater erwähnte oft einen einzigen Namen: Engelbert Guzdek. Man nannte ihn den Henker des Powiśle Dąbrowskie. Er war ein schrecklicher Mensch. Angeblich hat er im Laufe seiner Arbeit fast zweitausend Menschen erbarmungslos getötet. Dieser Guzdek machte vor allem permanent Jagd auf die jüdische Bevölkerung. Und am meisten hasste er Polen, die Juden versteckten. Er verübte fürchterliche Morde an wehrlosen Polen und Juden, wie schon gesagt, aber er war auch sehr hinter der Zigeunerbevölkerung her. Er liebte es, Menschen auf der Flucht zu erschießen. Wenn er durch die Dörfer fuhr, meist mit einem geliehenen Pferdewagen und in Begleitung der polnischen Blauen Polizei [umgangssprachlich für die polnische Polizei im Generalgouvernement – Anm. d. Übers.], hatte er immer ein schussbereites Maschinengewehr dabei. Da waren die Dörfer wie ausgestorben. Und wenn er jungen Männern begegnete, die so aussahen, als könnten sie möglicherweise Partisanen sein, schoss er ohne Vorwarnung auf sie. Es ist kaum zu leugnen, dass er durch dieses Verhalten einen enormen Schrecken auslöste. Angeblich fand er großen Gefallen daran.
Angeblich hatte er so viel Angst vor einem Attentat, dass er sich Wohnungen in Pfarrhäusern und an änhlichen Orten aussuchte, weil er sich da am sichersten fühlte, und in den Häusern und rund um sie herum stand immer ein Personenschutz aus Blauen Polizisten bereit. Um sich Mut zu machen, läutete dieser Mann jeden Tag ein, indem er einen Viertelliter Wodka auf leeren Magen trank. Um die Bevölkerung einzuschüchtern und einen Anschlag auf seine Person zu verhindern, ließ er Plakate aufhängen, auf denen stand, dass falls er umkommen sollte, hundert Polen im Gegenzug umgebracht werden würden. Wenn so viele Geiseln erschossen werden sollten, da war die Angst noch größer.
Man munkelte, dass seine erste Amtshandlung in Radgoszcz, wo er die deutsche Gendarmerie befehligte, war, den Befehl zur Errichtung eines Galgens zu geben. An diesem Galgen wurde sehr lange gebaut, da die Arbeiter sich immer vor dieser Arbeit zu drücken versuchten. Guzdek zwang sie aber mit Waffengewalt dazu. Später stellte sich aber heraus, dass dieser Galgen nie zum Einsatz kam. Er sollte angeblich nur eine Warnung für die Bevölkerung sein.
In Gręboszów verbreitete Guzdek ebenfalls Angst und Schrecken. Im Dorf wurden die Plakate aufgehängt, die ich bereits erwähnt habe, auf denen stand, dass jeder Versuch eines Attentats bestraft werden würde. Man munkelte, dass Guzdek hier… mir fällt der Name nicht ein… Dass Guzdek hier einen erschossen hat… ja… einen Franciszek Grabiec, der hier aus Gręboszów kam, weil er angeblich Sympathisant und Unterstützer der Widerstandsbewegung war und Waffen besaß, die er [Guzdek – Anm. d. Übers.] übrigens nicht gefunden hat. Mein Vater erzählte mir auch eine furchtbare Geschichte, in der es hieß, Guzdek hätte in seinem Pferdewagen einen jungen Burschen hergebracht, ihn zum Friedhof in Gręboszów gebracht, ein Grab aussuchen lassen und über diesem Grab hat er ihn dann mit einem Schuss in den Hinterkopf getötet. Furchtbar.
Guzdek starb letztendlich am Tag des Erntedankfestes in Otfinów, ich glaube, das war 1943. Es heißt, er sollte an diesem Tag drei junge Ukrainer erschießen, die aus einem Arbeitslager geflohen waren, wahrscheinlich in Katowice. Die Hinrichtung sollte angeblich hinter einem Deich am Fluss Dunajec stattfinden, wo er die Unglücklichen auf der Flucht erschießen wollte. An der Hinrichtung nahmen auch Blaue Polizisten aus Otfinów teil, die höchstwahrscheinlich – und angeblich aus Versehen – Guzdek angeschossen und tödlich verletzt haben. Das hat, wenn ich das so sagen darf, den einhundert Polen das Leben gerettet, die dieser Engelbert Guzdek sich als Geiseln ausgesucht hatte.
Die Interviews werden in den Originalsprachen oder Transkriptionen davon wiedergegeben, unter Berücksichtigung von nationalen, regionalen und individuellen Sprachmerkmalen.